Wandgemälde "Blüte der Feme""Blüte der Feme", eine Darstellung aus der Zeit Kaiser Friedrich II. um 1230

 

Es haben sich im Laufe der Zeit im Volke irrige Auffassungen über die Femgerichte entwickelt, namentlich bezüglich zweier Punkte: Man unterschätzte ihre Bedeutung, indem man ihren Wirkungskreis nur auf Westfalen beschränkte, und man umgab ihre ganzen Institutionen mit einem Schleier des Grausens und Gruselns. Beiden Irrtümern soll hier entgegengetreten werden. Die Femgerichte Westfalens waren nicht nur Gerichte von örtlicher Bedeutung. In jenen Zeiten der politischen, anarchischen Zerrissenheit Deutschlands versagte fast jeder Rechtsschutz, es fehlten die Mittel, das Urteil zu vollstrecken. "Des heiligen Reichs Obergericht über‘s Blut", das durch seine Allgewalt, die äußeren Erfolge, durch rücksichtslosen Rechtsgang und besonders durch rasches Handeln sich auszeichnete, ahndete alle Ungerechtigkeiten, auch solche, für deren Bestrafung es an sich örtlich keineswegs zuständig war. Seine Macht war gefürchteter als die des Kaisers. In seinem Selbstgefühl, seinem trotzig-männlichen Kraftempfinden lud einst der Freigraf sogar Kaiser Friedrich III., seinen Kanzler und das ganze Kammergericht vor seinen Stuhl. Der Rat der Stadt St. Gallen hatte sich viele Jahr lang mit seinem Gegner vor den Freistühlen Westfalens herumkämpfen müssen (1463), ja, das Femgericht ächtete (1495) durch seinen Spruch alle über 18 Jahre alten Mannspersonen des Hochgerichts Waldenburg in Graubünden.

Um 1450 war die Zahl der überall im Reich verstreuten Freischöffen auf über 100.000 gestiegen, Fürsten, Grafen, ja der Kaiser selbst gehörten dem Freischöffenbund an. In ihrer Schwörformel berufen sich die Freischöffen des geheimen Gerichts auf diese Rechtsbelehnung durch den ersten römischen Kaiser deutscher Nation: wonach sie "richten wollen nach Freistuhls Recht, wie es vom Kaiser Karolus gesetzet, von Papst Leo konfirmieret ist."

Eine frühere populäre Vorstellung umgibt die Femgerichte mit einem romantischen Zauber voller Gruseln. Danach fanden die Sitzungen in dunklen Gewölben statt; bei düsterer Fackelbeleuchtung saßen die Freischöffen unter ihrem Freigrafen in unheimlicher Vermummung. Die Wirklichkeit aber war das gerade Gegenteil dieser Vorstellung. Wie die Femgerichte am längsten und standhaftesten die uralte Form des heidnisch germanischen Prozessgerichts beibehielten, so behielten sie auch die alten Gerichtsstätten bei. Meistens fanden sich die Femrichter zum Ding zusammen am hellen Tage, an den altgermanischen Richt- oder Malstätten, die sich häufig durch Gruppen alter, weithin sichtbarer Riesenbäume kennzeichneten.

Dort saßen die wettergebräunten Femrichter auf den alten Steinbänken, am alten Steintisch, allen Unbillen des Wetters ausgesetzt, ohne jede Kopfbedeckung, ohne Harnisch und Waffen, "um nicht den Beklagten zu schrecken". Wie in heidnischer Zeit, so auch jetzt wurde bei Eröffnung der Sitzung das Ding feierlich gehegt und gebannet. Wer den heiligen Dingfrieden brach oder störte, wurde ergriffen und aufgeknüpft. Als einzige äußere Abzeichen der Gerichtsbarkeit dienten das auf den Steintisch gelegte Schwert und die Weidenschlinge oder der Hanfstrick. An der Steinlehne des Freigrafenstuhles befand sich oft ein griechisches Kreuz, zu beiden Seiten die Buchstaben "S", deren Bedeutung vermutlich signum sanctum war.

Die Femgerichtssitzung endete gewöhnlich mit der Verurteilung des Beklagten zum Tode durch den Strang. Nach der Verkündung des Spruches der Verfemung warf der Freigraf den Weidenstrang oder den Strick hinter sich weg aus dem Ding und alle Freischöffen spien zugleich aus. Der jüngst verheiratete Freischöffe hatte dann die Exekution zu vollführen.

Der schauerliche Spruch der Verfemung, in dem sich fraglos Reste der altgermanischen Verurteilungsformel finden, lautete u.a. am Schluss: "Ich setze den Beklagten aus allem Frieden und Freiheiten und Recht in Königsbann und Wette und in den höchsten Unfrieden und Ungnade und mache ihn unwürdig, rechtlos, friedelos, ehrlos, sicherlos, mißtätig, fempflichtig, leiblos. Und ich vermaledeie hier sein Fleisch und Blut, auf dass es nimmer zur Erde bestattet werde, der Wind ihn verwehe, die Krähen, Raben und Tiere in der Luft ihn verführen und verzehren, und ich weise sein Weib zur Witwe, seine Kinder zu Waisen, seinen Hals dem Strick, seinen Leichnam den Tieren, und befehle seine Seele Gott im Himmel, wenn er sie zu sich nehmen will."