Das Oberlandesgericht Düsseldorf

Luftbild des Oberlandesgerichts
Luftaufnahme der Gebäude Oberlandesgericht und Bezirksregierung

Inhaltsverzeichnis: 

 1. Vorgeschichte

 2. Lage

 3. Planung und Ausführung

 4. Grundriss und Außenbau

 5. Innenausstattung

 6. Treppenhaus

 7. Plenarsitzungssaal

 8. Dienstwohngebäude

 9. Würdigung

10. Schrifttum

11. Herkunft der Abbildungen

 

1. Vorgeschichte

Düsseldorf als Sitz eines Oberlandesgerichts ist der persönliche Erfolg eines einzigen Mannes: des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Wilhelm Marx (1899-1910). Mit Konsequenz verfolgte er den einmal beschrittenen Weg, an dessen Ziel die durch die Teilung der Oberlandesgerichte Köln und Hamm bewirkte Neugründung in Düsseldorf stand: ein Prestigeobjekt des Gestalters von Groß-Düsseldorf vor dem Ersten Weltkrieg.

Um die Angelegenheit von vornherein in die rechten Bahnen zu lenken und sie mit dem nötigen Druck zu versehen, offerierte Marx Berlin ein Junktim, insofern, als die Stadt Düsseldorf die erheblichen finanziellen Opfer - insgesamt 1.815.000 Mark - nur aufbrächte, wenn beide Pläne, der Neubau des Regierungsgebäudes wie auch die Gründung des Oberlandesgerichts, verwirklicht würden, Noch im Dezember 1903 schlossen der Landgerichtspräsident Ratjen als Vertreter des preußischen Staatsfiskus und Oberbürgermeister Marx für die Stadt Düsseldorf unter dem Vorbehalt des Gesetzesbeschlusses zur Errichtung eines Oberlandesgerichts in Düsseldorf einen Vertrag, wonach die Stadt für dieses ein 50a großes Grundstück am Rhein, in der Nähe des Kunstpalastes, und zwar nördlich des für das neue Regierungsgebäude vorgesehenen Bauplatzes, unentgeltlich zur Verfügung stellte; der Mehrbedarf sollte mit 100 Mark pro Quadratmeter gedeckt werden. Dazu war der städtische Baukostenzuschuss inzwischen auf 800 000 Mark gestiegen.

Am 16. September 1906 fand dann die feierliche Eröffnung des Königlichen Oberlandesgerichts Düsseldorf im Rittersaal der städtischen Tonhalle statt. In dem 1884/85 für die Bergisch-Märkische Bank am Königsplatz Nr. 15/16 (heute Martin-Luther-Platz) errichteten, inzwischen in städtischem Besitz befindlichen Gebäude fand man mehr schlecht als recht eine vorläufige Bleibe. Aber bereits nach dreieinhalb Jahren konnte der Umzug in den stattlichen Neubau am Rhein erfolgen.    

2. Lage

Als Bauplatz für das neu zu errichtende Oberlandesgerichtsgebäude wurde das Gelände auf der sogenannten Golzheimer Aue endgültig festgelegt. Zu der von der Stadt unentgeltlich überlassenen Fläche wurde eine weitere von 12,75 a hinzuerworben, so dass sich eine Gesamtgröße von 6 275 m2 ergab. Für das Wohngebäude des Präsidenten wählte die Justizverwaltung ein Grundstück von 2 000 m2 nördlich in gleicher Fluchtlinie mit dem Geschäftsgebäude, von diesem durch die Klever Straße getrennt. Die Gebäude waren in eine landschaftlich reizvoll gestaltete Umgebung mit dem Kaiser-Wilhelm-Park längs des Rheinufers und dem alten Friedhof an der Emmericher Straße eingebettet.

3. Planung und Ausführung

Grundriss- und Aufrissgestaltung erfolgte in Abstimmung mit dem Regierungsgebäude. Beide Bauten, die miteinander fluchten, sind auf weite Sicht hin angelegt. Der Entwurf für das Geschäftsgebäude des Oberlandesgerichts wie auch für das Dienstwohngebäude wurde in der Hochbauabteilung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten unter Oberleitung des Wirklichen Geheimen Baurats Paul Thoemer erstellt. Er hat im Verlauf der Bauausführung vor allem in bezug auf die Außenarchitektur einschneidende Veränderungen erfahren, und zwar durch den Landesbauinspektor Heinrich Quast, der als Nachfolger des Landesbauinspektors Ahns seit April 1907 mit der Bauleitung betraut war.

Der Name Paul Thoemer (* 20. Juni 1851 in Köslin, + 3. Juni 1918 in Berlin) ist mit einer Vielzahl  preußischer Justizbauten verbunden.

Grundriss des Gebäudes

Die 1879 in Kraft getretene Gerichtsverfassung für das Deutsche Reich hatte für Preußen eine derartige Fülle neuer Gerichtsgebäude zur Folge, dass im Ministerium der öffentlichen Arbeiten zwei Abteilungen eingerichtet werden mussten, von denen Thoemer die für Groß-Berlin und den Westen der Monarchie erhielt. Das Ergebnis waren der Bau von 300 kleinen und mittelgroßen und 51 großen Gerichtsgebäuden.
4. Grundriss und Außenbau
Blick auf die Vorderfront des GebäudesDer nach außen hin geschlossen wirkende Gebäudekomplex ist in Wirklichkeit eine langgestreckte, viergeschossige, mit Mansarddach gedeckte Vierflügelanlage von ca. 73 >; 30 m. Sie hat ein zentrales Treppenhaus, das den langschmalen Innenhof auf zwei kleinere Lichthöfe reduziert. Das Treppenhaus ist der architektonische Höhe- und zugleich Brennpunkt der Gesamtanlage: alle Kommunikationswege nehmen von hier ihren Ausgang und treffen hier wieder zusammen. Am Außenbau kommt die Bedeutung der Mitte durch Risalite - an der Vorderseite dreiachsig, an der Rückfront vierachsig - zum Ausdruck, Der straßenseitige Risalit enthält im Erdgeschoss das Vestibül. Auch die Schmalseiten sind durch Risalite gegliedert. An den Innenseiten der Flügel ziehen sich ringsum einseitig belichtete und mit Kreuzgratgewölben überspannte Gänge, an denen die Diensträume, Konferenzräume und Sitzungssäle aufgereiht liegen. Mit den Rundungen der Treppenhauswände korrespondieren viertelkreisförmige Eckeinbauten an der Nord- und Südseite der Höfe. Dazwischen ist der Gang etwas erweitert, so dass eine Art Verweilraum mit eingebauten Sitzbänken entsteht.

Die Längsseiten des Außenbaus umfassen siebzehn, die der Schmalseiten sieben Achsen. Über einem schmalen, dunkelgrauen Basaltlavastreifen sind Unter- und Erdgeschoss als rustizierte Sockelzone behandelt. Das Material ist Altleininger und Dürkheimer Sandstein (Haardtgebirge) Über einem ringsum laufenden bandartigen Gurtgesims erheben sich das erste, zweite und dritte Obergeschoss aus glattem Werkstein (Altleininger Sandstein); sie werden allseitig von Kolossalpilastern zusammengefasst, die am Mittelrisalit der Vorderfront der jonischen, an den übrigen Seiten der toskanischen Ordnung angeglichen sind. Zusätzlich liegen die Fenster des ersten und zweiten Obergeschosses in einer gemeinsamen Umrahmung, was sie als Einheit erscheinen lässt. Dadurch wird eine straffe, senkrechte Gliederung im Ausgleich zur breiten Lagerung des Gebäudes erwirkt. Ausnahmen bilden die in flachen Risaliten vortretenden beiden äußeren Achsen der Rheinfront. Im ersten Obergeschoss erscheint hier jeweils eine Loggia, eingefasst von Säulen toskanischer Ordnung im Gebälk. Im Geschoss darüber ein Fenster mit besonders reicher Bekrönung. Hier wird am Außenbau bereits der Rang der dahinter liegenden Räumlichkeiten und damit die Zweigleisigkeit in der Führungsspitze sichtbar gemacht: es sind die Dienstzimmer der beiden Vorstandsbeamten, des Oberlandesgerichtspräsidenten und des Oberstaatsanwaltes.

Der Mittelbau zeigt im Verhältnis zu den in einfacheren Formen gehaltenen übrigen Bauteilen eine maßvolle Steigerung der Architektur- und Schmuckformen, beginnend mit dem stark hervortretenden Portal, dann die mit Blendbalustraden und reichen Bekrönungen verzierten hohen Fenster des Plenarsitzungssaales, die üppig skulptierten Pilasterkapitelle und endend in dem geschwungenen Rundgiebel mit reichem plastischem Schmuck. Der ganze Mittelteil ist zusätzlich hervorgehoben durch ein quergelagertes, höher-geführtes Mansarddach. Die dreiachsigen Risalite der Schmalseiten enden dagegen in der Dachzone in einem Attikageschoss, dessen Wandfläche den Schwung des Mansarddaches mit vollzieht. Die Rückfront, die bei einer späteren Erweiterung Hoffront werden sollte, entspricht nur in den hauptsächlichen Gliederungselementen - diese aus Sandstein ausgeführt - denen der Vorderfront; ansonsten wurden die Flachen sowie die Rustika des Erdgeschosses verputzt, der Sandstein entsprechend getönt und leicht gekrönt. 

Aufriss der StraßenfrontZahl und Ausmaß der Schmuckelemente und Bauplastik sind gegenüber anderen zeitgleichen Gerichtsgebäuden eher vornehm zurückhaltend und auch nicht spezifisch ortsbezogen. Die Justiz stellt sich hier als etwas Allgemeines, Allumfassendes, Grenzenloses, nur dem König, in dessen Namen man Recht sprach, verantwortlich, dar. Das Hauptportal zieren die aus dem Stein geschlagenen gleichsam programmatischen Buchstaben "Königliches Oberlandesgericht" (heute in den Stein eingemeißelt "Oberlandesgericht").

Man bediente sich althergebrachter Hoheitsformen wie Kolossalpilaster, Säulen und Staatswappen. Die Portalrahmung aus Säulen, Pilastern und Gebalk mit Voluten und Vasenaufsätzen hebt sich hoheitsgebietend von der Gesamtfassade ab: Der Eintretende begibt sich in den Bann der Justiz Als Zeichen der Abschreckung und Symbol der Vergeltung erscheint in der Fensterrahmung über dem Portal, dieses in den Formen aufnehmend, das schlangenumwobene Haupt der Medusa. Über die allgemeine Sinndeutung hinaus dürfte es sich hier um eine Anspielung auf die beiden Strafrechtstheorien der Generalprävention, vertreten durch Paul Johann Anselm von Feuerbach (+ 1833), und der Spezialprävention, propagiert von Franz von Liszt (+ 1919), handeln, die eine als Abschreckung der Allgemeinheit durch hohe Strafandrohung sowie exemplarische Strafvollstreckung, die andere als Verbrechensverhütung durch Einwirkung auf den Sträfling.

Über dem Haupt der Medusa ist eine von Festons umkränzte leere Kartusche angeordnet, bekrönt von einer Waage, dem Attribut der Justitia. Damit korrespondieren vier Eulen als Attribut der Athene, der Göttin der Weisheit, Den krönenden Abschluss bildet das ca. 5m hohe Giebelrelief: über einer Girlande eine ornamentale Kartusche mit dem preußischen Staatswappen und umgelegter Kette des Schwarzen Adler-Ordens, flankiert von zwei weiblichen Figuren (heute nicht mehr vorhanden) mit Schwert und Buch, darstellend das Strafrecht, und mit Liktorenbündel (Fasces) und Buch, darstellend das Zivilrecht.

Mit der Modellierung sämtlicher Fassadenornamente einschließlich der Figuren des Hauptgiebels wurde der Düsseldorfer Bildhauer August Bauer (* 14. November 1868) beauftragt. Gegenüber dem in Berlin gefertigten "Ministerialentwurf" war die Ausführung, nicht zuletzt aus Kostengründen, denn doch sehr viel schlichter und sparsamer ausgefallen, was insbesondere die Bauplastik und die Dachaufbauten betraf.

Giebelrelief mit preußischem Staatswappen

Oberlandesgericht, Giebelrelief mit preußischem Staatswappen, umgelegter Kette des Schwarzen-Adler-Ordens und Personifikationen des Straf- und Zivilrechts. Bildhauer August Bauer

Senatssaal l, Zustand 1910Die Raumaufteilung sah für das Erdgeschoss außer zwei Wohnungen für den Kastellan und den Heizer (die von der Rückfront her in separaten Zugängen zu erreichen waren), die Geschäftsräume der Kasse, die Botenmeisterei und das Rechnungsamt vor. Im ersten Obergeschoss waren außer zwei Senatssälen die Geschäftsräume des Oberlandesgerichtspräsidenten, des Generalienbüros, die Oberstaatsanwaltschaft, verschiedene Zimmer für Senatspräsidenten und Präsidialräte sowie zwei Räume für die Anwaltskammer untergebracht. Im zweiten Obergeschoss lagen in der Mitte der Rheinfront der Plenarsaal, drei Senatssäle, weitere Zimmer für Senatspräsidenten und Gerichtsschreibereien, ein Arbeitszimmer für Mitglieder, Konferenzzimmer sowie zwei Räume für Rechtsanwälte. Im dritten Obergeschoss schließlich ein Senatssaal, die Bücherei mit Lesezimmer. ein Arbeitszimmer für Mitglieder, vier Kommissionszimmer und weitere Geschäftszimmer. Das Dachgeschoss war im Bereich der Risalite der Seitenfronten für Archivzwecke ausgebaut.

5. Innenausstattung

In den Fluren war der untere Teil der Wandflächen bis zu einer Höhe von etwa 1.90m durch Bemalung in Kaseinfarbe in Felder aufgeteilt; in der Halle und den Erweiterungen der Flure war dieser paneelartige Sockel durch größere Höhe und reichere farbige Behandlung hervorgehoben. Das Holzwerk der aus gesperrtem Kiefernholz gefertigten Türen der Büroräume war je nach den Geschossen in verschiedenen Tönen - Graugrün, Braun, Rot und Grau - lasiert; die Türen der Säle zeichnen sich durch reichere Umrahmung und Verdachung aus. Die normalen Geschäftsräume waren in der Ausstattung einfach gehalten, lediglich die Decken in den Zimmern der höheren Beamten und in einigen anderen Räumen hatten gezogene Stuckprofilierungen erhalten, andere waren in lebhafteren Tönen bemalt. Das Holzwerk der Türen war auf der Zimmerseite einheitlich dunkelbraun gebeizt, lasiert und lackiert.

Die Ausbildung der sechs Senatssäle war im Prinzip gleich: Holzpaneele mit Well- und ornamentalen Leisten verziert, die größeren Flügeltüren mit reicherer Bekleidung und verkröpfter Verdachung. Die Holzarten waren verschieden gebeiztes Eichenholz, bei einem hellrötliches Redwood, bei einem anderen Rüsterholz. Die Decken wurden in den Feldern zwischen den Unterzügen durch Stuckprofilierungen und angetragene Ornamente belebt. Bei einem Teil der Säle wurden die Wände reich bemalt, die Decken dagegen einfach in wenigen Tönen abgesetzt; bei den übrigen erhielten die Decken reiche Bemalung, während die Wände mit einfachen Schablonenmustern bemalt wurden. Die Möbelausstattung war abgestimmt auf die Paneele. Sämtliche Möbel waren von dem bauleitenden Architekten Landbauinspektor Quast eigens für das Gebäude des Oberlandesgerichts entworfen worden.

6. Treppenhaus

Blick in die EingangshalleNach dem großen Vorbild, dem ebenfalls von Thoemer entworfenen Berliner Land- und Amtsgericht l, ist auch im Düsseldorfer Oberlandesgericht dem Treppenhaus eine besondere architektonische Opulenz zugedacht. Es ist das eigentliche künstlerische Herzstück des Gebäudes. Zweifellos soll es aber auch die Würde des Gerichtes unterstreichen und die "in ihm zum Ausdruck gebrachte Macht des Staates demonstrieren" (Mielke).

Das Prinzip der Anlage erscheint eng verwandt mit der Treppe des ehemaligen Militär-Waisenhauses in Potsdam, das Karl von Gontard 1771-1777 errichtete. Die Düsseldorfer Treppenhalle lässt sich als virtuose Weiterentwicklung dieses Vorbildes verstehen. Grundidee ist eine Komposition aus drei ineinandergreifenden Ellipsen, die sich im Grundriss abzeichnen. Die beiden Außenellipsen bilden zu den Innenhöfen hin die äußere Raumschale, die durch eine Vielzahl von langschmalen Fenstern in Bleiverglasung durchbrochen ist und ein reiches warmes Licht einfließen lässt. Innen vor diesen Außenschalen sind die Treppenläufe angeordnet, jeweils zweimal durch Treppenabsätze unterbrochen, Die Treppen sind nicht mit der Außenwand verbunden, sondern gleichsam in den Raumkörper hineingestellt. Zwischen die Treppenläufe schiebt sich im Erdgeschoss, im Grundriss sich als angeschnittenes Oval abzeichnend, eine gewölbte Halle. Sie wird durch Pfeiler begrenzt, die durch Bogenstellungen verbunden sind und eine Wölbung tragen. Ihre Schale ist in der Mitte durch eine große ovale Öffnung durchbrochen. Durch diese schaut man in das nächste Geschoss hinauf, dessen Treppenhaus im dritten ObergeschossGewölbeschale wiederum von einer etwas kleineren Öffnung durchstoßen ist. Dieses Motiv der Durchbrechung wiederholt sich schließlich im zweiten Obergeschoss, bevor der Blick auf den verzierten Scheitel des Gewölbes im dritten Obergeschoss fällt. Noch bevor der Aufstieg beginnt, sind so alle Geschosse zu "durchblicken", womit die Absicht deutlich wird, die Repräsentanz der Treppe auf alle Geschosse gleichmäßig zu verteilen. Diese Durchlässigkeit in der Vertikalen findet sich auch nach den Seiten zu den Treppenläufen hin. Sie wird durch die hohen Lichtbahnen der Fenster an den Seitenovalen, durch das Filigran der schmiedeeisernen Gitter an den Treppenläufen, um die Deckenöffnung und entlang der Verbindungsgänge in den einzelnen Stockwerken verstärkt. Die Vielfalt an räumlichen Durchblicken, die das architektonische Grundprinzip dem flüchtigen Betrachter kaum verständlich werden lässt, bewirkt einen großräumigeren Eindruck der Anlage als von den Abmessungen her eigentlich gegeben.

7. Plenarsitzungssaal

Plenarsitzungssaal im zweiten Obergeschoss des Oberlandesgerichts. Zustand 1910 noch ohne WandgemäldeEine von breiten Marmorlisenen eingefasste und mit einer großen, reich verzierten Supraporte aus vergoldetem Stuck bekrönte Flügeltür kennzeichnet den Plenarsitzungssaal, neben der Treppenhalle ein weiterer künstlerischer Schwerpunkt des Gerichtsgebäudes. Der Saal ist lang rechteckig mit den Maßen 15,56 >; 6,70 m und einer Höhe von 6,15 m. Die Wände sind ringsum bis zu einer Höhe von 2,40 m mit gelbgrauem Lahntalmarmor (Famosa, hell) verkleidet. Der Sockel ist bis zu einer Höhe von ca. 40cm in Famosa dunkel gehalten, Die Marmorverkleidung ist an den Längsseiten durch zwei doppelte Stufenpilaster unterteilt; Stufenpilaster finden sich auch an den Wandenden, wo sie auf die Schmalwände umbiegen. In der Kapitellzone erscheinen in ehemals vergoldetem Stuck allegorische Figuren, weibliche sitzende Gestalten mit Spiegel und Buch sowie Liktorenbündel und Schwert, wohl den Weg der Rechtsprechung darstellend: Ergründung des Sachverhaltes, Anwendung auf bestimmte Gesetze, Urteilsspruch, Strafvollstreckung. Die Tür ist auch im Innern mit Marmor umrahmt, über dem Scheitel eine Uhr aus Bronze. Die Wirkung der Marmorverkleidung wird durch weiße, stark gefleckte Einlagen gehoben; hinzu kamen einst verzierte Stäbe mit kartuschenartigen Ornamenten in Bronze (nicht mehr vorhanden): zwischen den Pilastern zusätzlich noch kleine quadratische Bronzereliefs: Eule, Biene, Krake. Die Decke setzt über dem breiten Gesims der Wände mit einer Voute an. Sie ist in drei Felder gegliedert. Ihre Gliederung aus feiner Jugendstilornamentik, ehemals reich vergoldet, ist auf die Doppelpilaster der Längsseiten bezogen. Für die verbleibenden Wandflächen waren Malereien vorgesehen, für die der Kultusminister die Mittel aus dem Landeskunstfonds zur Verfügung gestellt hatte, die aber erst drei Jahre nach der Einweihung des Gebäudes begonnen wurden. Den Auftrag erhielt wiederum ein Düsseldorfer Künstler, Willy Spatz (* 7. September 1861, + Düsseldorf 4. August 1931). Spatz war Schüler von Peter Janssen an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo er dann für fast drei Jahrzehnte, von 1897 bis 1926, als ordentlicher Professor der Abteilung Malerei vorstand.

Die fünf Gemälde im Oberlandesgericht stehen am Ende einer Reihe von großflächigen Wand- bzw. Ölgemälden, wobei der Gemäldezyklus in der Kapelle von Schloss Burg an der Wupper 1899/1901 Spatz den Weg für die weiteren geebnet haben dürfte.

Karl der Große lässt die Volksgesetze niederschreiben  Wandmalerei im Plenarsaal "Gottesgericht"

 

Nach dem Kriegsverlust der meisten Spatzschen Großwerke kommt dem hervorragend erhaltenen Zyklus im Düsseldorfer Oberlandesgericht ein um so bedeutsamerer Rang zu. Er behandelt Szenen "aus der Entwicklung des deutschen Rechtslebens", beginnend über der Tür mit der Darstellung der Justitia, auf den Knien das Gesetzbuch, in den Händen Schwert und Waage. Dann folgen an der Nordseite das "Gottesgericht", Zeit des Nibelungenliedes, des Königs Gundikar, um 435, an der Ostwand "Karl der Große lässt die Volksgesetze niederschreiben", um 802, und "Blüte der Feme", Zeit Kaiser Friedrichs II., um 1230, an der Südseite "Gerichtssitzung unter Kaiser Maximilian l.", erste Mitwirkung von Berufsrichtern bei schriftlichen Verfahren, um 1495. Friedrich Schaarschmidt sieht mit Spatz eine ganz eigentümliche Auslegung der phantastischen Richtung aufkommen, die man als "eine Art Düsseldorfer Neuromantik" bezeichnen könnte. Den erhalten gebliebenen eigenhändigen Erläuterungen des Künstlers zu den Wandbildern ist zu entnehmen, dass ihm ein umfangreiches Quellenstudium vorausging. Die künstlerische Freiheit sollte hier nicht die exakte historische Darstellung verwischen. Wie bei anderen Spatzschen Werken nachgewiesen, dürften auch bei diesen Bildern viele der dargestellten Personen porträthafte Züge Düsseldorfer Persönlichkeiten tragen.

8. Dienstwohngebäude

Dienstvilla des Oberlandesgerichtspräsidenten Ansicht der Hauptfassade (Rheinseite) und Südfassade (Klever Straße), Zustand 1910 Abweichend von der beim Regierungsgebäude und auch bei anderen Gerichtsgebäuden zu beobachtenden Anordnung erhielt der Oberlandesgerichtspräsident in Düsseldorf sein Dienstwohngebäude an der nördlich gegenüberliegenden Straßenecke. Das zweigeschossige, mit Mansarddach gekrönte Gebäude ist freistehend mit einem Garten an der Ostseite. An der fünfachsigen Eingangsfront ist ein dreiachsiger, leicht ausschwingender Risalit mit zurückgesetzter Attika und Dreiecksgiebel vorgelegt, dementsprechend Ist auch der Mittelrisalit der Südseite gestaltet. Die Gartenfront zeichnet sich durch eine Attika und durch zweiachsige übergiebelte Seitenrisalite aus, zwischen die eine Terrasse mit eleganter doppelläufiger Freitreppe nebst Brunnenanlage eingespannt ist. Im Stil war die Dienstvilla dem Geschäftsgebäude angepasst, obwohl hier Jugendstilmerkmale noch ausgeprägter zu finden sind. Einen besonderen Aspekt erhielt das Gebäude durch ein auf dem Scheitel des Daches aufsitzendes Belvedere, das ihm den Charakter eines kleinen Landschlösschens verleihen sollte.

Blick in den Festsaal der Villa im Jahr 1910Das Sockelgeschoss enthielt im vorderen Teil die ganz mit Holz vertäfelte Eingangshalle mit einer Treppe ins erste Obergeschoss und links und rechts die Garderobenräume, ansonsten Wirtschafts- und Dienstbotenräume sowie zwei Keller. Im ersten Obergeschoss waren an der Nordseite zunächst das Arbeitszimmer, neben dem Treppenhaus das Empfangszimmer, daran anschließend der Festsaal, daneben und mit diesem verbunden der Speisesaal, dann eine Loggia. Auf der Südseite folgten das Zimmer der Hausfrau, eine Treppe als Verbindung zur Anrichte und Küche im Souterrain, zwei Wohnzimmer und schließlich noch ein Empfangszimmer. Die Gesellschaftsräume waren etwas reicher ausgestattet mit mehrfarbenen Parkettböden und stuckierten Decken. Der Festsaal hatte niedrige stuckierte Wandgliederungen und Stoffbespannungen. Das ganze im Stil des Empire, in kühler Vornehmheit. Der Speisesaal war demgegenüber mehr "altdeutsch-rustikal" gehalten mit hoher dunkel gebeizter Holzverkleidung, entsprechend das zum Teil wandfeste Mobiliar, die Dekorationen und ein Kachelofen Im Dachgeschoss waren das Schlafzimmer mit den beiden Ankleideräumen, vier Kinder- und zwei Fremdenzimmer untergebracht. 1956/57 wurde das Dienstwohngebäude des Präsidenten für Bürozwecke und kleinere Wohnungen im Innern umgebaut.

9. Würdigung

Im Zweiten Weltkrieg verschont geblieben, hat das Oberlandesgericht auch in den Nachkriegsjahren keine "Totalsanierung" erfahren. Mit Ausnahme der bronzefarbenen Beleuchtungskörper, der farbigen Fassung der Wände, dem Einbau eines besonders gesicherten Saales im Sockelgeschoss (1972), einiger weniger ins Auge fallender Veränderungen ist das Gebäude nahezu unberührt und ein Gesamtkunstwerk von außerordentlicher Bedeutung geblieben. Die von vornherein vorgesehene Möglichkeit einer Erweiterung des Gebäudes nach Osten wurde erst zu Beginn der 50er Jahre aktuell. Ganz bewusst von diesem abgehoben und nur mit einem überdeckten Glasgang verbunden, wurde 1957 auf rechteckigem Grundriss ein zehnstöckiges Bürohaus als reiner Zweckbau aus Beton, Metall und Glas errichtet (Entwurf und Planung Staatshochbauamt Düsseldorf). Die weitgehende Unberührtheit trifft auch für das nebenliegende Regierungsgebäude zu. Obwohl nebeneinander, gleichzeitig und in ähnlichen Stilformen errichtet, sind beide Gebäude in ihrer Aussage gänzlich verschieden. Das Regierungsgebäude galt einerseits der Selbstdarstellung des bevölkerungsreichsten Bezirks der preußischen Monarchie, andererseits war es aber auch das Bestreben, historische Kontinuität, in der Sprache der Architektur fortleben zu lassen. Demgegenüber ist das Oberlandesgerichtsgebäude in seinen Formen sehr viel weniger aufwendig; dazu sind die Barockelemente bereits mit denen des Jugendstils verwoben, was ihm ein "moderneres" Aussehen gibt. Es ist einzuordnen in die Reihe von Monumentalbauten, in denen für die Majestät des Rechtes majestätische Bauten von größter psychischer, monumentaler Wirkung geschaffen wurden, die sich nicht nur im Äußeren, sondern auch beim Betreten des Inneren, bei der Anlage der Treppenhallen und Säle bekundete. Zusammen mit dem Regierungsgebäude und den Gesolei-Bauten (Gesolei = Kürzel für die "Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen" 1926. Zu dieser Zeit wurde das Düsseldorfer Rheinufer - u.a. auch vor dem Regierungspräsidium und dem Oberlandesgericht (Rheinpark), erhöht und neu gestaltet) sowie dem Verwaltungsgebäude der Mannesmann-Röhren-Werke und dem Landeshaus (ehemalige Staatskanzlei) erfüllt das Gebäude des Oberlandesgerichts die wichtige Funktion einer repräsentativen Rheinuferbebauung und ist deshalb von hervorragender städtebaulicher Bedeutung. Nicht zuletzt auch seine Unberührtheit macht es zu einem der wichtigsten Zeugnisse für die Architektur des frühen 20. Jahrhunderts in Düsseldorf.

10. Schrifttum:

Zum Oberlandesgerichtsgebäude:
Die 0berlandesgerichtsneubauten in Düsseldorf. In: Zeitschrift für Bauwesen, Jg. LXI, 1911, Sp. 361-384. - Zuletzt umfassend. G. Knopp. Vom Königsplatz zum Kaiser-Wilhelm -Park. Das Gebäude des Oberlandesgerichts in Düsseldorf. In. 75 Jahre Oberlandesgericht Düsseldorf. Festschrift, hrsg. von H. Wiesen. Köln, Berlin 1981, S. 169-194.

11. Herkunft der Abbildungen:

Landesbildstelle Rheinland, Düsseldorf: 29, 30. - Laubner - Luftbild, Bonn: 1. - Rheinisches Amt für Denkmalpflege, Pulheim  19, 21 (Repros): - Oberlandesgericht Düsseldorf, Archiv: 20, 23-28. - Staatshochbauamt Düsseldorf: 22

Der Autor: Prof. Dr. Gisbert Knopp, Rheinisches Amt für Denkmalpflege externer Link, öffnet neues Browserfenster / neuen Browser-Tab, Abtei Brauweiler, 50259 Pulheim
aus:  RHEINISCHE KUNSTSTÄTTEN Heft 429 1. Auflage • 199S • ISBN 3-88094-827-5
Herausgeber Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz
Postfach 11 09 24 • 50533 Köln
Redaktion: Hans Christoph Stamm
Druck und Kommissions-Verlag: Neusser Druckerei und Verlag GmbH
Postfach 1011 52,  41411 Neuss

Abdruck und Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Dr. Gisbert Knopp und des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Köln.